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Anime Industry Report 2018

Jedes Jahr veröffentlicht die Association of Japanese Animations (AJA) einen sogenannten Anime Industry Report, in dem Trends und Einnahmen der Anime-Industrie untersucht werden. Englische Zusammenfassungen erscheinen für gewöhnlich einige Monate später. Am 6. Juni ist nun endlich der Report des Jahres 2018 erschienen, dessen Ergebnisse ich im Folgenden etwas durchgehen möchte. Bei Interesse kann man hier die vollständige Zusammenfassung finden. Um Verwirrung vorzubeugen: Da der Report 2018 verfasst wurde, behandelt er nur die Industrie bis einschließlich 2017. Das Jahr 2018 wird dementsprechend erst im Anime Industry Report 2019 untersucht. Außerdem sollte immer berücksichtigt werden, dass es sich hierbei nicht um genaue Zahlen handelt. Die Werte stammen teilweise aus Befragungen unter Firmen oder wurden mit Hilfe von Heuristiken berechnet. Sie geben aber zumindest einen allgemeinen Trend wieder, was sie insofern interessant macht.

Der Report beginnt mit einer generellen Betrachtung zum Wachstum des Marktes. So wurde 2017 mit einem Umsatz von ca. 2,15 Billionen Yen (rund 17,54 Milliarden Euro) erstmals die Grenze von 2 Billionen Yen überschritten, womit der Umsatz so hoch ist wie nie zuvor.
Dabei kann beobachtet werden, dass die Einnahmen innerhalb Japans seit 2015 stetig abfallen, während sie im Ausland bereits seit 2013 konstant steigen und dementsprechend die Einnahmen im Inland bald überholen könnten oder vielleicht bereits überholt haben. Erwähnt werden könnte hierbei, dass auch innerhalb Japans ein Wachstum verzeichnet werden würde, wenn unter anderem auch digitales Merchandise in der Untersuchung berücksichtigt worden wäre. An der stark zunehmenden Bedeutung des Auslandes würde das allerdings nichts ändern.

Bei genauerer Betrachtung aus welchen Kategorien sich die 2017 erzielten 2,15 Billionen Yen zusammensetzen, zeigt sich nochmals deutlich, wie essenziell die Einnahmen außerhalb Japans in den letzten Jahren geworden sind. Durch Filme, Animes im Fernsehen etc. ergaben sich 994,8 Milliarden Yen. Die restlichen 1,1582 Billionen Yen setzten sich aus den folgenden Einnahmequellen innerhalb Japans zusammen:

  • TV
  • Filme
  • DVDs und ähnliche Medien
  • Internetvertrieb
  • Merchandising
  • Musik
  • Pachinko und ähnliche Spielautomaten
  • Live Entertainment, zum Beispiel Live-Performances, Ausstellungen und andere Events

Eine genaue Aufschlüsselung und die Werte der vorherigen Jahre sind in diesem Balkendiagramm aufgezeigt (anklicken zum Vergrößern):Die größten Anteile der obigen Kategorien besaßen 2017 Merchandising (523,2 Milliarden Yen) und Spielautomaten (268,7 Milliarden Yen), beide jedoch mit geringeren Werten im Vergleich zu den Vorjahren. Hier sei wieder erwähnt, dass nur physisches Merchandise berücksichtigt wurde und nicht digitales.
Live Entertainment ist seit der Einführung dieser Kategorie 2013 noch immer wachsend und erzielte 2017 einen Umsatz von 61,5 Milliarden Yen.
Wenig überraschend ist der weiter fallende Trend der Video-Kategorie (115,3 Milliarden Yen 2013 im Vergleich zu 76,5 Milliarden Yen 2017) und dafür stetig steigende Werte durch den Internetvertrieb (0,2 Milliarden Yen 2002, 34 Milliarden Yen 2013, 54 Milliarden Yen 2017).

Die Umsätze durch Musik schwanken seit 2006 ungefähr zwischen 20 und 30 Milliarden Yen. Auch die Umsätze durch die Fernsehausstrahlung von Animes sind seit Jahren relativ gleichbleibend und pendeln etwa zwischen 100 und 110 Milliarden Yen. Erwähnt werden könnte dabei die immer noch hohe Anzahl an Animes. So erschienen 2017 insgesamt 230 neue Animes im Fernsehen und 110 der vorherigen Jahre wurden fortgeführt.

Der Umsatz durch Animefilme wiederum hat zwar im Vergleich zu 2016 stark abgenommen und betrug nur noch 41 Milliarden Yen, allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass 2016 auch Makoto Shinkais finanziell extrem erfolgreicher Film Kimi no Na wa. (Your Name.) erschienen ist. Schließt man Kimi no Na wa. aus (ca. 25 Milliarden Yen), wären es 2016 lediglich 41,4 Milliarden Yen gewesen. 2017 ist insofern zwar immer noch kein besseres Jahr für Animefilme gewesen, aber zumindest noch besser als die Jahre vor 2013, wenn man von 2001 und 2004 absieht, den Erscheinungsjahren der beiden nach Kimi no Na wa. finanziell erfolgreichsten Animefilme in Japan (Chihiros Reise ins Zauberland und Das wandelnde Schloss). Die Anzahl an Titeln ist außerdem auf 84 angewachsen und abseits von 2015 die höchste jemals.

Wie bereits erwähnt, hat das Ausland für die Anime-Industrie mittlerweile eine hohe Relevanz. Das zeigt sich auch an der Anzahl an Verträgen für die verschiedenen Regionen und Sprachen. 2017 wurden 701 regionale Verträge geschlossen. Von den 701 Verträgen bezogen sich beispielsweise 20 auf deutschsprachige Gebiete, 128 auf Europa und 62 auf die ganze Welt. Auch Asien mit 213 Verträgen und französischsprachige Gebiete mit 114 Verträgen sind hervorzuheben. Es sei hier nochmals erwähnt, dass die Werte sich aus Befragungen unter 24 Firmen ergaben.

Die Betrachtung der Verträge mit einzelnen Ländern zeigt eine Verteilung ähnlich der letzten Jahre. Summiert wurden 40,2 % aller Verträge mit asiatischen Ländern geschlossen, allem voran Südkorea (163), Taiwan (155) und China (121). An der Spitze stand 2017 jedoch die USA mit 215 Verträgen. Auch Kanada war mit 141 Verträgen weit vorne. Europäische Länder machten 24,5 % der Verträge aus, wobei Frankreich mit 152 und das Vereinigtes Königreich mit 91 Verträgen mit Abstand vorne lagen. Mit Deutschland wurden 2017 laut den Befragungen 26 Verträge geschlossen.

Abschließend wird im Anime Industry Report auch noch die Verteilung von Anime-Studios in Japan aufgezeigt, allerdings leider noch in der Version des Reports von 2016. Von den insgesamt 622 Studios befanden sich 542 in Tokyo. Einige der bekannteren Ausnahmen sind Kyoto Animation in Uji, Präfektur Kyoto und P.A. Works in Nanto, Präfektur Toyama. Die starke Konzentration in Tokyo lag auch bereits in der vorherigen Version der Verteilung aus dem Jahr 2011 vor. Damals gab es 419 Anime-Studios in Japan, davon 365 in Tokyo.

Das wären soweit die wichtigsten Informationen des Reports. Allerdings lohnt es sich auch, selber einen Blick in das Dokument zu werfen, da einige Punkte in diesem Artikel nur angeschnitten oder sogar ausgelassen wurden. Was die Reports der nächsten Jahre angeht, wird auf jeden Fall interessant sein, wie sich die Anime-Industrie weiter entwickelt, insbesondere in Hinblick auf den Digitalvertrieb. Auch die geringeren Einnahmen im Inland und dafür stark steigenden Einnahmen durch das Ausland werden vermutlich Auswirkungen haben.

Quelle: https://aja.gr.jp/english/japan-anime-data

Published inAnime-Industrie

2 Kommentare

  1. Ich sollte wohl zuerst erwähnen, dass mein Interesse in Bezug auf Anime hauptsächlich bei Anime als Kunstform sowie den Personen, die direkt damit zusammenhängen, liegt. Also ist mir die Industrie als Ganzes eher egal und ich informiere mich darüber abseits von solchen Zusammenfassungen hier und was man auf Twitter und Co. so mitbekommt, nicht. Dementsprechend bin ich unsicher, ob ich durch meinen Kommentar etwas anständiges zu diesem Text beitragen kann.

    Ich denke, dass du das Thema prägnant zusammengefasst hast, auf das Nötigste beschränkt, damit man am Ende einen guten Überblick über die Sache hat. Wie du selbst sagst, wäre mehr Tiefe natürlich möglich gewesen, ich kann aber nur schwer sagen, ob das besser gewesen wäre oder es besser ist, auf den Report zu verweisen, für alle Details. Hättest wahrscheinlich deine eigenen Interpretationen zu den Trends mehr einfliessen lassen müssen, um mehr Tiefgang zu bekommen. Nehme an, du würdest es nämlich auch sinnlos finden, einfach nur Fakten aus dem Report noch mal aufzuschreiben, nur um mehr zu schreiben.

    Zum Thema selbst: Es ist natürlich logisch, dass sich der Trend vom Heimvideo zum Streaming und Co. bewegt, dieses Schicksal erfahren aber wohl alle Medien. Für mich etwas schade, da ich mich wohl als Sammler beschreiben würde und etwas Physisches vorziehe, aber damit muss man wohl leben.
    Die stark angestiegene Anzahl von neuen Anime finde ich sehr erschreckend, auch wenn ich dies schon wusste. Viele Leute innerhalb der Industrie drücken ja aus, dass dies einer der Hauptgründe ist, warum die allgemeine Qualität vieler Anime sinkt und es einfach viel zu wenig Leute gibt für die hohe Anzahl Anime. Wäre wohl schön, wenn alle Studios so funktionieren könnten, wie KyoAni. Aber ich denke, diese Probleme in der Industrie sind so fundamental, dass mann die Industrie als Ganzes ändern müsste, um wirklich etwas für die Leute zu verbessern.
    Die steigende Wichtigkeit des Auslandes ist auch erfreulich, wobei ich eher unglücklich damit bin, was gerade bei uns so alles lizenziert wird. Nicht, dass ich die Entscheide da nicht nachvollziehen kann, aber wenn Titel wie Ou-sama Game zu uns gelangen, dann frage ich mich halt schon…
    Die hohe Anzahl der Studios in Tokyo ist dann zum Schluss sicher auch keine Überraschung. Ballungsgebiet, zentral, einfach für Studios Kontake zu knüpfen. Sicher unschön aufgrund der hohen Kosten, die mit der Stadt verbunden sein werden und dass die schlecht bezahlten Leute lange pendeln müssen, weil sie sich wohl keine Wohnung in der Stadt leisten können, aber was will man tun.

    Sigh… Irgendwie lassen mich solche Reports immer mit negativen Gedanken zurück. Wie auch immer, von deiner Seite ein solider Beitrag. Habe nichts wirklich zu beanstanden.

    • Takumi Takumi

      Freut mich, dass der Artikel interessant genug zum Lesen war, obwohl es um die Industrie an sich ging statt um Animes direkt. Nebenbei auch danke für das Teilen auf Twitter.
      Das war auch das erste Mal, dass ich den Anime Industry Report selber gelesen habe, obwohl er gar nicht mal so lang ist. Dieser Artikel hier ist im Prinzip entstanden, um mich selbst dazu zu motivieren, den Report lesen. Ich denke, wenn man sich viel mit Animes befasst, ist es wertvoll, ein grobes Hintergrundwissen zur Anime-Industrie und dem Entstehungsprozess von Animes zu haben.

      Ich war da etwas zwiegespalten, weil ich nicht sicher war, wie interessant es wäre, auf so manches zu sehr im Detail einzugehen. Mehr Tiefgang durch eigene Interpretation oder Einbeziehen anderer Quellen wäre aber wohl denkbar gewesen. Beispielsweise hätte ich noch auf den Tiefpunkt bei manchen Grafiken in den Jahren 2009 / 2010 eingehen können, der evtl. durch die Rezession zu dieser Zeit hervorgerufen wurde. Oder darauf, dass die Late-Night-Ausstrahlungszeiten von Animes seit 2015 die Daytime-Zeiten überholt haben, was durch die fallende Geburtenrate Japans beeinflusst sein könnte. Da fehlt mir aber leider auch ein wenig das wirtschaftliche Hintergrundwissen zu, um mehr als Mutmaßungen anzustellen.

      Ich bin froh, dass die Zahlen physischer Medien trotz all der vielen Streaming-Services noch nicht völlig abgestürzt sind, da ich auch ganz gerne manches sammle. Ich denke, es wird auch nie ganz verschwinden, sondern sich irgendwann stabilisieren, z. B. indem genug Mehrwert in die physischen Releases gesteckt wird wie schicke Boxen und Extras. Der Videospiel-Markt macht das auch schon seit Jahren.
      Der Punkt bezüglich der hohen Anzahl an Animes war mir auch bekannt, aber es dann so grafisch zu sehen, war dann noch mal etwas anderes. Gerade wenn man es mit der Zeit der 80er und 90er vergleicht, wo trotz der viel geringeren Zahl viele Klassiker entstanden sind. Mehrere hundert Animes, die heutzutage erscheinen, kann letztendlich sowieso kein Mensch sehen und ich habe auch das Gefühl, das so manches wie am Fließband produziert wird. Ich denke, dass kann sich aber nur ändern, wenn der Markt ähnlich zum Video Game Crash der 80er zusammenbricht und sich Dinge grundlegend verändern.
      Prinzipiell freue ich mich auch darüber, dass das Ausland wichtiger wird und mehr Titel hier erscheinen, hoffe aber sehr, dass die Inhalte sich nicht irgendwann zu sehr an ausländische Konsumenten orientieren werden. Was für Titel nach Deutschland kommen, ist dann nochmal eine eigene Sache. Irgendwie ist es enttäuschend, was für eine Qualität anscheinend in Deutschland gut ankommt und nebenbei auch, wie sehr Fanservice und Isekai hier Beliebtheit haben.
      Gefühlt befindet sich fast alles in Tokyo und Umgebung. Es gab im Report dann noch eine Grafik, die gezeigt hat in welchen Teilen Tokyos. Dort konnte man nochmal sehen, dass sich vieles auf ein paar Bezirke konzentriert hat. Billig ist das sicher nicht.

      Zumindest kann man als positives rausziehen, dass der Gesamtumsatz weiter steigt. Wäre nur schön, wenn das Geld an den richtigen Stellen genutzt wird…
      Und danke für das Lob.

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