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Anime-Review: Classroom of the Elite

Auf den ersten Blick wirkt Classroom of the Elite nicht sonderlich originell. Sucht man nach Bildern zu dem Anime, kriegt man schnell den Eindruck, es handele sich um nur einen weiteren der typischen Serien zum Schulalltag von stereotypischen Charakteren, gespickt mit den üblichen Romance- und Comedy-Elementen. Tatsächlich hat Classroom of the Elite aber ein viel unverbrauchteres Setting zu bieten und einen Protagonisten, der überraschend interessant ist, obwohl er eigentlich langweilig sein sollte.

Die Animeserie folgt dem stoischen Ayanokouji Kiyotaka, einem Schüler der Koudo Ikusei Senior Highschool. Bei dieser Oberschule handelt es sich um eine von der Regierung finanzierte hochmoderne Schule für Privilegierte, die ihren Schülern eine Anstellungs- und Hochschulaufnahmerate von 100% verspricht. Den Schülern ist das Verlassen des Schulgeländes und sogar der Kontakt mit Außenstehenden nicht gestattet, weshalb Teil des Geländes auch verschiedenste Einrichtungen wie Kinos, Karaoke-Bars oder Einkaufszentren sind. Zur Bezahlung werden dabei Punkte genutzt, die den Schülern monatlich auf ihre Smartphones überwiesen werden. Von der enormen Summe des ersten Monats überwältigt (100000 Yen = ca. 730€), beginnen viele von Ayanokoujis Klassenkameraden damit, ein unbeschwertes Leben zu führen, sich teure Luxus-Artikel zu kaufen und den Unterricht aufgrund fehlender Verwarnungen nicht ernst zu nehmen. Zum nächsten Monat zeigt sich dann aber schließlich, dass jede Klasse nach der Leistung der Schüler bewertet wird und die Punkte entsprechend auf die vier Klassen A bis D verteilt werden. Die Schüler der Klasse D, zu der Ayanokouji gehört, erhalten keine Punkte und sehen sich darum gezwungen, ihre Leistungen zu verbessern, zumal bei einer nicht bestandenen Zwischen- oder Semesterabschlussprüfung sofort ein Schulverweis droht. Die zielstrebige aber kühle Horikita Suzune vertraut Ayanokoujis schließlich am nächsten Tag an, bis zur Klasse A aufsteigen zu wollen, koste es, was es wolle.

Das Cover des ersten Light-Novel-Bandes.

Classroom of the Elite (auf Japanisch Youkoso Jitsuryoku Shijou Shugi no Kyoushitsu e) basiert auf einer gleichnamigen Light-Novel-Reihe von Shougo Kinugasa und wurde produziert vom Animestudio Lerche, das auch für die Danganronpa-Animes, Assassination Classroom und zuletzt Kino’s Journey: The Beautiful World – The Animated Series verantwortlich war. Als Director zuständig waren dabei Hiroyuki Hashimoto und Seiji Kishi, die schon für Persona 4: The Animation,  die Danganronpa-Animes, Assassination Classroom, Angel Beats! und einige andere Serien zuständig waren. Passend dazu ist auch Classroom of the Elite wieder ein Anime, der es schafft, ein Schul-Setting aufzubauen, das schnell interessant ist. Es macht einfach Spaß, den Charakteren in dieser Umwelt zuzusehen, obwohl sie gar nicht mal alle gut geschrieben sind. In gewisser Weise ist es wohl das typische Underdog-Thema. Die Hauptpersonen sind den anderen Klassen unterlegen und wollen an die Spitze. Man möchte einfach sehen, wie sie es schaffen, die anderen Klassen zu übertrumpfen. Während die Mitglieder der Klasse B noch recht sympathisch wirken, sind Klasse C und natürlich die unerreichbare Klasse A die klaren Rivalen. Das seltsame Konzept der mit unglaublich viel Geld ausgestatteten Elite-Schule ist vielleicht nicht realistisch (bei ihrem Schulausflug fährt beispielsweise der gesamte Jahrgang mit einer Yacht auf eine einsame Insel…), aber definitiv unterhaltsam.

Auch wenn ich meinen Spaß an Classroom of the Elite hatte, besitzt die Serie einige Schwächen. Zu nennen sind da ein paar Ecchi-Szenen und die obligatorische Bikini-Folge im Schwimmbad in der Mitte der insgesamt 12 Folgen, was in modernen Animes ja leider einfach normal zu sein scheint. In der Episode geht es hauptsächlich darum, wie einige Jungen der Klasse D versuchen, in der Frauenumkleide eine Kamera zu verstecken. Das Ganze ist zugegebenermaßen lustig gestaltet, aber es ist nun mal, was es ist: Eine Ecchi-Folge, die man hätte streichen können. Wie erwähnt, sind außerdem nicht alle Figuren gut geschrieben. Ziemlich oft erfüllen die Charaktere einfach nur ihre Klischees und sind deswegen manchmal schon fast nervig, wie zum Beispiel der athletische Sudou, der die ersten Folgen nur auf Streit aus ist oder die schüchterne und ständig ängstlich wirkende Sakura. Auch die drei Hauptcharaktere, bestehend aus Ayanokouji, Horikita und dem Mädchen Kushida Kikyou, sind eigentlich nur Anime-Stereotype, die genau in dieser Konstellation aus Rom-Coms wie Yahari Ore no Seishun Love Come wa Machigatte Iru. oder Masamune-kun’s Revenge leicht verändert kopiert zu sein scheinen. Ayanokouji ist der gelangweilte und genervte Protagonist mit wenigen Freunden, unscheinbarer Persönlichkeit und unscheinbarem Aussehen, der im Verlauf der Serie aber seinen Mitschülern immer wieder hilft. Horikita ist die immer grimmige, intelligente, analytisch denkende Person, die Ayanokouji ungeschont offen ihre Meinung sagt, aber insgeheim auch eine verletzliche Seite hat (und natürlich hat sie lange dunkle Haare, wie so viele Animefiguren mit diesem Charakter). Kushida ist das scheinbare Gegenteil von Horikita, immer gut gelaunt und auf Harmonie und Freundschaft aus. Klingt das bekannt? Die Ähnlichkeit zu My Teen Romantic Comedy: SNAFU ist schon fast erschreckend, aber tatsächlich wurden die Charaktere in Classroom of the Elite letztendlich zum ausschlaggebenden Grund dafür, dass ich die Serie als sehenswert empfand.

Ein wiederkehrendes Thema in Classroom of the Elite ist, dass Menschen für die Öffentlichkeit Masken tragen und ihre eigentlichen Absichten und Charaktereigenschaften oft verstecken. Man sollte zugegebenermaßen keine lehrreiche psychologische Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche erwarten, über die man am Ende einige Tage nachdenken muss, denn letztendlich handelt es sich hier immer noch nur um eine mittelmäßige bis gute Animeserie, aber dass solche Themen zumindest überhaupt vorkamen, hatte ich nicht erwartet. Direkt die erste Folge beginnt damit, dass Ayanokouji im Bus auf dem Weg zu seinem ersten Schultag ist und die hilfsbereite Kushida einen anderen Schüler bittet, seinen Platz für eine ältere Frau frei zu machen. Ausgerechnet dieser ist aber natürlich überaus eingebildet und weigert sich: „Wieso sollte ich grundlos etwas zu meinem Nachteil tun?“ Erst nach Kushidas Bitte an die anderen Mitfahrenden und einigen Sekunden bietet eine Frau schließlich ihren Platz an. Ayanokouji macht dabei nicht die geringsten Anstalten irgendwie einzugreifen.

Doch auch die anfangs noch so lieb und einfältig wirkende Kushida zeigt später in Folge 3 ganz andere Charakterzüge als sie in einem Park alleine zu sein glaubt und frustriert darüber ist, dass Horikita eine der wenigen Personen ist, mit denen Ayanokouji gelegentlich redet. Es wirkt in diesem Moment schon fast, als hätte sie eine ganz andere Persönlichkeit, die sie im Alltag nur nicht zeigt. Das mag vielleicht überzogen wirken, doch genau solche Momente lassen die Figuren ein bisschen vielschichtiger wirken.

In den darauffolgenden Episoden erfährt man dann zum Beispiel noch, dass die schüchterne Sakura in ihrer Freizeit Internet-Modell ist, weswegen sie Probleme mit Stalkern hat und selbstverständlich wird im Laufe der Serie auch gezeigt, dass sogar die unnahbare Horikita Selbstzweifel haben kann. Der interessanteste Charakter war für mich aber Ayanokouji, weil der Anime gut darin ist, nicht zu viel über ihn zu verraten.

So sieht Ayanokouji aus, wenn er wütend ist. Oder glücklich. Oder gelangweilt.

Eigentlich wirkt er wie ein unfassbar normaler langweiliger Protagonist ohne besondere Persönlichkeit, was in Animeserien ja oft so ist, damit man sich besser in den Charakter hineinversetzen kann. Bei Ayanokouji gingen die Macher dann noch so weit, ihn fast immer gelangweilt aussehen zu lassen und mit einer Stimme sprechen zu lassen, die so monoton ist, wie man es sich nur vorstellen kann. Er hat so wenig Präsenz, dass man manchmal nicht sicher ist, was mit ihm eigentlich los ist. Denn das ist eine Sache, die mir hier wieder aufgefallen ist. Normalerweise ist sichtbar, was in einem Animeprotagonisten vor sich geht. In vielen Fällen hört man einfach die Gedanken und in anderen ist es zumindest so gestaltet, dass es durch Selbstgespräche, Gespräche mit anderen Charakteren oder zumindest durch die Mimik und Gestik klar wird. Bei Ayanokouji wird dem Zuschauer hingegen immer so wenig in die Hand gegeben, dass man gar nicht so richtig weiß, was eigentlich seine Motive sind und das ist mal eine nette Abwechslung. Hin und wieder hilft er zwar seinen Mitschülern, aber manchmal fragt man sich dann doch, ob er es ganz so ernst meint. Außerdem werden im Laufe der Folgen kleine Ungereimtheiten eingestreut, wie zum Beispiel, dass Ayanokouji anscheinend Kampfsport überraschend gut beherrscht oder die Tatsache, dass er meistens im Hintergrund bleibt und Horikita immer das Lob bekommen lässt, wenn er anderen hilft. Ungefähr das letzte Drittel der Serie handelt dann schließlich von dem Schulausflug und einem Spiel, bei dem die vier Klassen gegeneinander antreten müssen und das dann auf eine Weise endet, durch die man einfach Lust auf mehr bekommt. Ich würde mich tatsächlich freuen, wenn der Anime eine Fortsetzung erhalten würde, auch wenn ich ja befürchte, dass das nicht passieren wird und er nur dazu diente, die Light-Novel-Verkäufe anzukurbeln. Andererseits war die Serie relativ beliebt und es sind bereits genug Light-Novel-Bände erschienen, so dass Material für eine zweite Staffel vorhanden wäre.

Insgesamt glaube ich zwar nicht, dass Classroom of the Elite eine allzu wertvolle Serie ist, aber sie ist trotz ihrer Schwächen fast immer unterhaltsam und interessant, insbesondere durch das Setting und dem erfrischend anders gestalteten Hauptcharakter.

 

Bilder: http://you-zitsu.com, Lerche, Crunchyroll, Amazon (Light-Novel-Cover)

Published inAnime-ReviewsAnimesGanbattePsychologicalSchule

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